Ich möchte in diesen Interviews alleinerziehende Frauen und Männer vorstellen, die von ihren persönlichen Strategien berichten, um einer Erschöpfung zu entgehen oder mit ihr umzugehen. Ich erhoffe mir von diesen Interviews, dass wir uns gegenseitig Anregungen und Hilfestellungen geben. Es geht mir NICHT darum ein perfektes Leben darzustellen! Ich möchte mit den Interviews Mut machen und anderen zeigen: „Ich bin nicht alleine.“
Es geht hier nicht darum, den ehemaligen Partner/in, das Rechtssystem oder politische System massiv anzuklagen. In diesem Interview geht es alleine um deine innere Einstellung und was Du selbstverantwortlich tun und verändern kannst um einer Erschöpfung vorzubeugen. Falls es doch passiert ist, was nicht selten vorkommt, dann berichte sehr gern darüber.
Ich bin freiberufliche Übersetzerin und habe zusätzlich noch einen festen Teilzeitjob im Büro. Grundsätzlich begeistert mich alles, was mit Sprachen und Wörtern zu tun hat. Ich lese und schreibe gern und viel, mag Kino, Theater und rockige Konzerte in kleinen, schrammeligen Clubs. Außerdem bin ich gern so oft wie möglich draußen und brauche Natur und viel Bewegung, um den Kopf frei zu kriegen.
Mein Mann ist vor knapp 8 Monaten nach langer Krankheit gestorben und seitdem bin ich alleinerziehend. Ich habe einen 6-jährigen Sohn, der ein geballtes Paket an Energie und Lebensfreude ist – das hilft an manchen Tagen und überfordert mich an anderen. Frei habe ich eigentlich nur, wenn mein Kleiner bei Oma & Opa in Spanien ist. Das ist leider weit weg und daher zu selten.
In organisatorischer Hinsicht komme ich relativ gut klar, weil ich durch die lange Krankheit meines Mannes schon seit Jahren den größten Teil der Alltagsaufgaben allein meistern musste.
Auf emotionaler Ebene ist es einfach nur brutal hart.
Die größte Herausforderung besteht für mich gerade darin, dafür zu sorgen, dass mein Sohn eine glückliche Kindheit hat, obwohl ich selbst so wahnsinnig traurig bin.
Besonders schlimm sind die Wochenenden, wenn wir allein auf dem Spielplatz rumtoben und da sind lauter glückliche Familien unterwegs. Das fühlt sich sehr einsam an.
Und da kommt dann auch viel Traurigkeit und Wut darüber auf, dass mein Mann so jung sterben musste, obwohl das die ganz große Liebe war.
Und dass er jetzt nicht mehr mit unserem Sohn auf dem Spielplatz rumrennen und ihm alle möglichen Fußball-Tricks zeigen kann. Ich glaube, das sind die schlimmsten Momente, wenn ich meinen Sohn anschaue und denke „du hattest den coolsten Papa der Welt, aber den gibt’s nicht mehr.“
Ich schätze, ich stehe noch ganz am Anfang, momentan fühlt sich alles eher nach „überleben“ als nach „leben“ an.
Es wäre schön, mehr Kontakte zu anderen Alleinerziehenden zu haben, so dass man am Wochenende gemeinsam was unternehmen kann. Ich habe in meinem Freundeskreis nur Paare und da fühle ich mich häufig wie das fünfte Rad am Wagen.
Ja, so einen Moment hatte ich tatsächlich. Ich war neulich mit meinem Sohn im Kindertheater und habe „Die Schneekönigin“ gesehen, total schön inszeniert, ich war selbst völlig hin und weg.
Und als ich ihn da so sitzen sah, wie er wie gebannt zuguckte und immer wieder lachen musste, dachte ich einen Moment „okay, wenn du’s tatsächlich schaffst, dass der Kleine trotz allem, was passiert ist, so schöne und glückliche Momente hat, dann schaffst du den ganzen Rest auch.“
Das hält leider nicht lange vor, ich komme oft an meine Grenzen mit Teilzeitjob, Selbstständigkeit und Kind.
Womit ich mich durch die letzten Monate gerettet habe: Viel Improvisationstalent, eine gute Intuition, um querdenken und auf den ersten Blick seltsam wirkende Entscheidungen treffen zu können, Selbstdisziplin und ein gewisser kindlicher Optimismus, dass alles irgendwann, irgendwie und irgendwo wieder besser wird.
Ich kann nicht gut Hilfe annehmen und darum bitten schon gar nicht. Eigentlich nehme ich nur Hilfe an, wenn ich mir 100 % sicher bin, dass mein Gegenüber mir wirklich gern helfen möchte und das nicht nur aus Pflichtgefühl tut.
Vermutlich ist „frisch verwitwet“ nochmal was anderes als „frisch alleinerziehend.“
Was ich aus meiner Sicht empfehlen würde:
Akzeptieren, dass man sich gerade im Ausnahmezustand befindet; sich nicht unter Druck setzen, gleich ein neues Leben aus dem Hut zaubern zu müssen; sich Hilfe suchen, wenn man das kann und jemand da ist, der bereit ist zu helfen; gut für sich selbst sorgen mit Sport, genug schlafen, etc.
Also, das sind jetzt theoretische Ratschläge – in der Praxis bin ich oft meilenweit davon entfernt.
Ich weiß ganz gut, welche Dinge mir gut tun und versuche, Zeit dafür einzuplanen. Joggen und Schreiben sind z. B. zwei Dinge, die selbst in meinen ziemlich vollen Alltag immer noch irgendwie reinpassen müssen, weil ich damit wieder ins Gleichgewicht komme.
Mein liebstes Lebensmotto, seit ich als 15-Jährige den Film Alexis Zorbas gesehen habe:
Der Mensch braucht eine Portion Wahnsinn, weil er sonst nicht die Courage hat, auszubrechen, um frei zu sein.
Ja, mir hat das Buch Lebe – lache – liebe: Neustart ins Leben nach einem schmerzlichen Verlust von Christina Rasmussen sehr geholfen.
Trauer ist ein total schräger Zustand und extrem schwer in Worte zu fassen.
Wenn der Mensch, den du mehr als dein eigenes Leben liebst, stirbt, stirbst du innerlich mit ihm, aber äußerlich geht die Welt ganz normal weiter.
Alles fühlt sich falsch und schief an, wie ein verstimmtes Musikinstrument. Deswegen steht man vermutlich mit seiner Trauer auch so allein da. Ich habe bisher noch kein anderes Buch gefunden, das mir so sehr aus der Seele gesprochen hat und das so viel Mut macht.
Für mich gibt es gerade zwei Sorten von Einsamkeit. Die eine entsteht in Situationen, in denen ich mich deplatziert fühle, also zum Beispiel als Alleinerziehende zwischen lauter Bilderbuchfamilien. Dagegen kann man etwas tun.
Die andere Art von Einsamkeit kommt daher, dass ich meinen Mann entsetzlich vermisse. Und das lässt sich nicht dadurch bekämpfen, dass man sich mit anderen Menschen umgibt, sich ablenkt oder auf andere Art und Weise davor wegrennt. Ich glaube, das muss man einfach durchstehen.
Meine Zukunft ist momentan noch ein weißes Blatt, auf das ich hin und wieder bunte Hirngespinste kleckere, die ich als Vision schön finde… aber so richtig konkret ist bisher noch nichts davon. Ich habe meinem Sohn aber versprochen, dass irgendwann alles wieder superschön wird – Kinder brauchen ja Hoffnungsschimmer – also muss ich mich auch daran halten.
Liebe Sara, vielen Dank, dass wir einen Einblick in dein Leben bekommen durften. Ich wünsche dir alles Liebe und Gute für dich und deinen Sohn. Es war mir eine Ehre dich persönlich kennenzulernen.Möchtest du Sara etwas sagen? Dann kannst du das jetzt hier in den Kommentaren tun oder ihr eine Email schreiben sara.enazul@gmail.com
Ich freue mich, von dir zu lesen.
Alexandra
P.S. Nur wenn es dir gut geht, dann geht es auch deinem Kind gut.
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ich kann sehr gut nachempfinden wie du momentan fühlst, denn ich bin in der gleichen Situation. Habe zwei Kinder und mein Mann starb letztes Jahr während der 2.Schwangerschaft.
Sehr schlimm ist für mich auch einfach, dass man so alleine mit der Situation ist. Es gibt ja kaum jemand der das selbe durchmacht, mit dem man sich austauschen könnte.
Ich wünsche euch ganz viel Kraft!!!zusammen schafft ihr es, dass es irgendwann mal wieder richtig schön wird.
Was denkst du?