Ich möchte in diesen Interviews alleinerziehende Frauen und Männer vorstellen, die von ihren persönlichen Strategien berichten, um einer Erschöpfung zu entgehen oder mit ihr umzugehen. Ich erhoffe mir von diesen Interviews, dass wir uns gegenseitig Anregungen und Hilfestellungen geben. Es geht mir NICHT darum ein perfektes Leben darzustellen! Ich möchte mit den Interviews Mut machen und anderen zeigen: „Ich bin nicht alleine.“
Es geht hier nicht darum, den ehemaligen Partner/in, das Rechtssystem oder politische System massiv anzuklagen. In diesem Interview geht es alleine um deine innere Einstellung und was Du selbstverantwortlich tun und verändern kannst um einer Erschöpfung vorzubeugen. Falls es doch passiert ist, was nicht selten vorkommt, dann berichte sehr gern darüber.
Ich heiße Tabea, bin 38 Jahre alt, bin Mutter dreier Kinder (2, 5 und 11), bin von Beruf Erzieherin (zur Zeit in Elternzeit) und begeistere mich für das Zeichnen von Karikaturen und Bildern mit Wortspielen, die anderen Menschen Mut machen sollen oder sie zum Lachen bringen. Damit tanke ich mich auf, wenn es mir mies geht und ich selbst eine Ermutigung brauche.
Ich bin seit fast neun Jahren alleinerziehend. Freie Stunden habe ich öfter, freie Tage seit fünf Jahren nicht mehr gehabt.
Ja. Als ich versucht hatte, mit meinen drei Kindern nach Frankreich zu meiner Schwester zum Probewohnen gehen zu wollen und mir zwar der Vater meiner beiden jüngeren Kinder grünes Licht gab, aber der Vater der Ältesten mit Beistand vom Jugendamt alles verhindern konnte, obwohl er sich seit Monaten nicht hatte blicken lassen.
Ich war so wütend, dass ich alle Verantwortung und Sorge alleine hatte, aber seine Rechte mehr halten, als seine Pflichten seiner Tochter gegenüber.
Inzwischen habe ich mit ihm in der Sache Frieden geschlossen. Aber die Einsamkeit, die ich beenden wollte, trage ich weiterhin allein, zu der täglichen Sorge und Verantwortung, die er nicht hat. Damit klar zu kommen, ist ungleich schwerer, als mit der Wut über Ungerechtigkeit aus Sorgerecht und Sorgepflicht.
Ich habe einen Zwischenschritt eingebaut. Ich habe eine Umschulung beantragt, weil ich als Erzieherin nicht mehr arbeiten kann, wenn ich zu Hause auch noch drei habe.
Da werde ich niemandem gerecht. Nicht den Kita-Kindern und meinen schon gar nicht.
So plane ich einen Umzug in die nächstgrößere Stadt. Noch warte ich sehnsüchtig auf die Bewilligung. Kitaplätze zu kriegen, war, wie ein Sechser im Lotto. Hat aber geklappt. Dann fehlt noch eine neue Wohnung. Als nächstes Umzugshelfer. Aber ich versuche, konstruktiv zu denken. Was mir manchmal gar nicht gelingt.
Ich habe gemerkt, wie viel ich alleine reißen kann. Und als ich es nach der Geburt und Trennung meiner letzten Tochter nicht mehr konnte und ich mit Burnout und Depressionen zum Arzt ging, tat sich ein Netz aus Helfern auf.
Nicht viele, aber wirkungsvolle: eine einfühlsame Psychiaterin, ein kompetenter Psychotherapeut und total liebe Erzieherinnen in der Kita. Das gab mir Rückhalt. Dadurch konnte ich meinen Weg neu sehen und versuche aktiv, ihn zu gestalten.
Was heißt: Misserfolge einstecken und akzeptieren.
Mit den Vätern Frieden schaffen, damit die Kinder beide Eltern für sich entdecken können. Und das ist echt schwer…
Wer trennt sich schon freiwillig? Frieden mit denen schaffen, mit denen man viel Leid erlebte, braucht Mitgefühl und Geduld. Am meisten mit sich selbst.
Das war schwer für mich und ist es immer noch. Ich möchte niemanden belästigen.
Und doch, wir brauchen alle psychischen, physischen und geistigen Rückhalt.
Ich habe dafür mehrere Strategien. Zum einen habe ich sowohl den Vater meiner beiden jüngeren Kinder als auch meine fast 2 Stunden entfernt lebende Mutter für extreme Notfälle gewinnen können. Extremer Notfall heißt nicht: Elternabend organisieren. Sondern eher Probleme mit Leib und Leben: ich bin krank und brauche mal eine Stunde Schlaf, weil die Tabletten nicht genug wirken. Sowas zum Beispiel.
Andere Strategien sind:
Das größte Problem ist die Einsamkeit. Ich bin in diesen kleinen Ort vor sieben Jahren gezogen und immer „Außerirdische“ geblieben. Deswegen möchte ich auch umziehen.
Was das Wichtigste ist die eigene Selbstachtung. Ich hatte das nicht gelernt. Ich wusste gar nicht, wer ich eigentlich bin. Jetzt lerne ich, meine Würde zu wahren und die meiner Kinder.
Da ist das Wichtigste, zu akzeptieren, dass sie nur zur Hälfte meine Kinder sind. Wenn ich ihre Würde wahren will, muss ich die ihrer Väter wahren. Das kostet wohl jede Alleinerziehende viel.
Aber die Kinder brauchen es, ihren Papa weiterhin toll finden zu dürfen und ihn lieb zu haben.
Das erfordert von uns viel inneres Freilassen, das wir unseren Kindern zugestehen und ihnen trotzdem Halt in uns zu geben. Ich bin mehrere Male kläglich daran gescheitert. Aber es ist möglich, wenn wir unsere eigene Würde wahren, während wir uns dem anderen gegenüber behaupten. Dann können wir die Würde des anderen nicht verletzen. Wir würden unsere eigene dabei verlieren.
Ich habe mit meinen Kindern ein schönes Ritual. Am Abend schreiben wir uns mindestens fünf Dinge in ein Buch, die für uns schön am Tag waren. Dann weiß ich: Den schönen Tag haben wir uns geschenkt. Das ist für mich die schönste Form von Eigenlob.
Wenn man den Glauben an sich selbst nicht mit einer Verzeihung an die eigene Unvollkommenheit paaren kann, wird das Leben unerträglich. Dr. M. Astroh
Stark und alleinerziehend: Wie du der Erschöpfung entkommst und mutig neue Wege gehst
Finde zu dir selbst zurück!: Wirksame Wege aus dem Burnout
Wer bin ich ohne dich?: Warum Frauen depressiv werden – und wie sie zu sich selbst finden
Dazu habe ich schon viel gesagt. Letzten Endes ist Einsamkeit kein Problem des Alleinseins, sondern des sich allein fühlen. Daher ist es nur mit einem zu lösen: der Selbstzuwendung.
Statt von außen auf die Erlösung zu warten, brauchen wir den Blick auf unser Selbst, unser Wesen.
Wir brauchen Selbsterkenntnis. Wer bin ich? Was kann ich? Und wie kann ich mich konstruktiv in die Welt einbringen?
Je besser wir uns kennenzulernen, desto mehr Wege stehen uns dafür zur Verfügung. Das bedeutet: Mut zum Ausprobieren. Und Mut zum Dinge anfangen und wieder sein lassen, wenn sie nicht zu einem passen.
Nur weil wir alleine sind, ist nicht jede Gesellschaft gut für uns.
Wir haben unsere Kinder und sind voll eingespannt. Da müssen wir auswählen, mit wem wir unsere Zeit noch teilen. Das ist nicht arrogant. Das ist eine Frage von überlebensnotwendigen Prioritäten.
Ich will meinen Kindern Mut zum Leben machen, indem ich mutig mein Leben lebe.
Dazu gehört: wir alle haben ein Recht auf Misserfolge und Scheitern. Dabei sammeln wir Erfahrungen. Und was ist der größte Schatz eines Menschen? Sein Erfahrungsschatz. So ist mein Ziel, mutiger und gelassener zu scheitern. Plan A ist ja toll, Plan B auch, aber manchmal ist Plan X der viel realistischere.
Liebe Tabea, vielen Dank, dass wir einen Einblick in dein Leben bekommen durften. Möchtest du Tabea etwas sagen? Dann kannst du das jetzt hier in den Kommentaren tun.
Ich freue mich, von dir zu lesen.
Alles Gute für dich und deine Kinder.
Alexandra
P.S. Nur wenn es dir gut geht, dann geht es auch deinem Kind gut.
Bildquelle Unplash
© COPYRIGHT STARKUNDALLEINERZIEHEND-DATENSCHUTZ-IMPRESSUM-DISCLAIMER
Ich möchte darum an dieser Stelle den Kurs "Kinder im Blick" empfehlen, der bundesweit angeboten wird - und zwar für BEIDE Elternteile, in seperaten Kursen unabhängig voneinander. Dort wird erarbeitet, wie man getrennt leben und trotzdem partnerschaftlich als Eltern zusammen arbeiten kann - und dabei eben "die Kinder im Blick" hat, die eigenen Probleme abseits vom Kind in Angriff nimmt bzw. akzeptieren lernt.
Unbedingt zu empfehlen!! Hat uns enorm geholfen und auch mal den Blick des anderen Geschlechts ermöglicht.
Hier in Hamburg werden die Kosten von der Stadt übernommen, in NRW muss man eine (wie ich finde erschwinglichen) Gebühr zahlen. Hängt vom Bundesland ab.
Allen anderen in unserer Situation alles Gute und liebe Grüße!
ich danke dir herzlich für deine Worte und deine Reflektion trotz aller Schwierigkeiten. Du bekommst noch eine Mail von mir, da ich gern mehr erfahren möchte. :) VG A. Widmer
ich hoffe ich darf Sie so nennen, denn zwischen Ihnen und mir liegen ca dreissig Jahre. Vielleicht interessiert es Sie?
Damals gab es noch keine Möglichkeit seine Erfahrungen über blog weiterzugeben, jedoch stand man damals wie auch heute plötzlich alleine da. Die Gesellschaft selbst stand geschiedenen Frauen (jedenfalls in Deutschland) noch sehr skeptisch gegenüber, vor allen Dingen, wenn man nicht zur sog. "Heimmütterchen" mutierte.
Was musste ich mir nur alles anhören!! Wie kann man als Mutter berufstätig sein und dabei auch noch eine gute Mutter! Und Alleinerziehend, welch ein Makel!
Mein Glück war, entgegengesetzt vielen anderen geschiedenen Frauen zu diesem Zeitpunkt, dass ich immer selbständig war und auch während der Ehejahre mein eigenes Geld verdiente; somit war ich nicht abhängig - jedenfalls nicht in finanzieller Hinsicht.
Meine Devise seinerzeit war immer: wenn es mir gut geht, geht es auch meinem Kind gut, was sich auch wirklich im Verhalten und der gemeinsamen Freude mit meinem Kind widerspiegelte.
Emotional bin ich ebenfalls durch ein Loch gefallen, habe mir aber sofort die nötigen psychologischen Hilfen gesucht. Von staatlicher Seite her gab es nichts, Ja 50 DM Kindergeld. Es gab fast keine Ganztagskindergärten, von den Schulen und Horten möchte ich keinen Kommentar geben.
Die Steuerklasse II/1 wurde abgerechnet, sodass mir mehr abgezogen worden ist, als den Verheirateten. Wenn sich was ändern soll, dann diese ungerechte Steuerklasseneinteilung für Alleinerziehende!! Von den anderen Belastungen möchte ich gar nicht sprechen, denn das wissen Sie selbst.
Ich bin dann nach Frankreich gezogen, wobei ich vollkommen als Alleinerziehende, arbeitende Mutter gesellschaftlich anerkannt worden bin. Ich wurde nicht diskriminiert wie ich es in Deutschland empfunden haben. Nun, wie gesagt es sind dreissig Jahre vergangen und hoffe, dass die jungen Frauen, die den Schritt als Alleinerziehende (freiwillig oder aus anderen Anlässen) tun, mehr Unterstützung und Hilfestellungen finden, als wir damals. Es hat sich ja viel getan und wir haben auch dafür gekämpft.
Dies nur ein kleiner Beitrag von einer damals Alleinerziehenden, die keinerlei Unterstützung seitens des Staates bekommen hat. Man hatte Freunde, die einen unterstützen - wenige, aber wirklich gute.
Machen Sie weiter so und bieten den Frauen Ihre Hilfe an,
die sie benötigen.
Mit freundlichem Gruss
Anna
vielen dank für den tollen Einblick. Ich hoffe, Sie kommen in ein Interview zu mir, da sicherlich viele Frauen neugierig sind mehr aus ihrer Perspektive zu erfahren.
Herzliche Grüße
Alexandra Widmer
Was denkst du?