Mit dem Ex-Partner abschließen, wenn ein Kind da ist
Wie bloß?
Ein komplexes Thema für Eltern.
Mit dem Ex-Partner abzuschließen, wenn keine Kinder vorhanden sind, ist nicht so schwierig. Man geht sich einfach aus dem Weg und lenkt sich ab . Es sind viele Rituale vorhanden die eine Loslösung aus der Partnerschaft unterstützen. Wenn jedoch eine Trennung von der Paarebene zur Elternebene notwendig ist, sind viele ratlos und die Rituale von früher lassen sich nicht 1:1 übersetzen.
Dabei sind auch jetzt Rituale eine große Hilfe. Denn nur wenn die emotionalen Verletzungen von der Frau und dem Mann ausreichend gewürdigt worden sind, ist eine Begegnung auf Elternebene möglich.
Fallbespiel aus meiner Beratung
Vor kurzem war Luisa in meiner Online-Beratung. Sie ist alleinerziehend und war dauerhaft sehr erschöpft. In unserem ersten Gespräch identifizierten wir als emotionale Belastung den Stress mit dem Ex als einen entscheidenden Faktor.
Wir einigten uns darauf die Gefühle zu notieren und zu reflektieren. Als Hilfe nutzen wir einen allgemeinen Fragenkatalog der in vielen Beratungsstellen zum Einsatz kommt.
Luisa ist damit einverstanden, dir ihre Antworten öffentlich zu zeigen und am Ende des Artikels ein Fazit zu ziehen.
Natürlich möchte ich Dich auch motivieren, diese Fragen schriftlich zu beantworten.
Luisas Antworten
1. Welche Stärken habe ich mit in unsere Beziehung gebracht?
Nach außen wirke ich selbstbewusst. Ich habe immer mein Ding gemacht und das war es, was auch sicherlich anziehend war. Du hast dich gern von mir bekochen lassen. Ich habe auch sehr gern für dich gekocht. Dabei wollte ich dir zeigen, dass ich die Richtige bin. Die Richtige um eine Familie zu gründen.
2. Welche Schwächen habe ich mit in unsere Beziehung gebracht?
Meine Schwäche war es in manchen Lebensbereichen unsortiert zu sein. Trotz meiner Stärke nach außen, habe ich immer mehr Verantwortung abgegeben. Ich wollte umsorgt werden und eifersüchtig war ich manchmal auch. Daran konntest du meine eigene Unsicherheit erkennen.
3. Welche Stärken und Schwächen hast du mit in unsere Beziehung gebracht?
Ich habe deine Ruhe und Struktur im Alltag bewundert. Das ganze Gegenteil von mir. Du warst oft so vernünftig und hattest verdammt auch noch mal recht. Heute denke ich so manches Mal: Recht hatte er... Mist! Oft ich hatte wie ein kleines trotziges Kind den Drang, das Gegenteil zu tun. Deine Schwäche ist auch deine Stärke. Du bist zu rational und strukturiert.
4. Was ich dir geben konnte, war ...
Meine Lebendigkeit, Kreativität, Offenheit und stürmische Liebe.
5. Was ich dir nicht geben konnte...
Ruhe, Struktur, Übernahme an Verantwortung und Sicherheit.
6. Welche Seite in mir habe ich durch unser Zusammensein das erste Mal erleben dürfen?
Du hast mir gezeigt, was es bedeutet, echte Freunde zu haben. Dadurch wurde auch ich mutiger und konnte auf Menschen zugehen.
7. Was ich von dir bekommen habe...
Na ja, wir haben ein Kind bekommen. Es war ein Wunschkind.
8. Was ich von dir nicht bekommen habe und mir aber gewünscht hätte....
mit dir zusammen eine Familie zu sein. Ich hätte mir gewünscht, dass du dich nicht zurückziehst und immer mehr dein Ding machst. Wir waren auch noch da. Und dann war plötzlich die andere Frau da. Ich hätte mir von dir einen sanften und freundlichen „Ende“ gewünscht. Einfach Sachen packen und ausziehen. Das war ein großer Schock für mich.
9. Wobei haben wir einander geholfen?
Das klingt jetzt zynisch. Doch wir haben einander in eine große Krise katapultiert. Darauf hätte ich sehr gut verzichten können.
10. Was habe ich in der Beziehung mit dir am meisten vernachlässigt? Welche Seite in mir ist verwelkt?
Ich habe nicht mehr für mich eingestanden. Ich wollte uns drei am Leben erhalten und habe es geduldet, wenn du wieder mal zu spät nach Hause gekommen bist. Nach und nach wurde ich zu einem kleinen, angepassten Mäuschen. Das bin ich aber gar nicht.
11. Womit hast du mich am meisten verletzt?
Deinen Rückzug, die Aufgabe unserer Familie und deinem Egoismus. Plötzlich hat unser Kind keinen Vater mehr gehabt. Ab und an bist du für eine Stunde da gewesen. Doch mir wurden von unseren Freunden Bilder zugespielt. Du auf dem Golfplatz. Du bei einer Party. Du mit dieser Frau. Als ich dann von dir hörte, dass ihr „3“ in den Urlaub nach Frankreich fahren wolltet, ist bei mir eine Sicherung durchgebrannt. Das war der Tiefpunkt.
12. Womit habe ich dich am meisten verletzt...
Ach, ich war schrecklich. Hass ist gar kein Ausdruck. Ich habe dich mit den übelsten SMS bombardiert, war beim Anwalt, in der Hoffnung diesen Urlaub zu verhindern, habe diese Frau vor unserem Kind niedergemacht.
Ich habe dich angeschrien, dich am Arm gezogen, dich geschüttelt....in der Hoffnung wieder aufzuwachen. Und dazwischen unser Kind. Ich schäme mich so sehr und wünschte, ich könnte die Uhr zurückdrehen. Ich war für dich nur noch die Furie und habe dich durch mein Verhalten nur darin bestärkt noch mehr zu fliehen. Plötzlich wirklich alleinerziehend. Weißt du, wie hart der Alltag ist? Sicher nicht, denn du hast ja genug Zeit um dich zu erholen.
13. Was haben wir unserer Beziehung verpasst?
Vielleicht erinnerst du dich noch. Ich war im achten Monat schwanger. Da habe ich dir schon einmal einen Brief geschrieben. Darin wünschte ich mir, dass wir trotz Kind ab und an Zeit zu Zweit haben. Du hast abgewunken und meintest, unsere Zeit würde in ein paar Jahren wieder kommen. Oh Mann. Wir hätten mehr miteinander reden müssen.
14. Was war mein größter Fehler in unserer Beziehung?
Verantwortung abzugeben und auf dich und deine Entscheidungen zu warten. Außerdem hatte ich immer ein Problem mit dem Vertrauen in dich und aber auch in mich.
15. Was war dein größter Fehler in unserer Beziehung?
Dich auf die Vaterrolle einzulassen. Du liebst N. über alles. Das weiß ich irgendwie. Doch zeigen konntest du es damals nicht wirklich. Oft hatte ich das Gefühl, du kannst nur wenige Facetten an mir lieben. Du hast aufgehört, mich anzuschauen und mit mir zu sprechen. Leider.
16. Welches Verhalten nehme ich dir doch immer übel?
Deine anfängliche Unzuverlässigkeit gegenüber unserem Kind. Wir warten und wer kommt nicht, weil irgendetwas anderes wichtiger war?
Du!
Du hast keine, Ahnung, wie viele Tränen ich getröstet habe. Unser Kind kann nichts dafür und du verkrümelst dich. Irgendwann hatte ich so die Nase voll, dass ich immer weniger gefragt habe. Was für ein beschissener Kreislauf. Und dann soll man auch noch laut Ratgeber immer noch gut über den anderen Elternteil lesen. Die Tage hörte ich, man soll das Kind bis zum 8. Lebensjahr bewusst anlügen, um es nicht zu verunsichern. Die Wahrheit, wie Mama oder Papa wirklich ist, würden sie so oder so später rausfinden. Zum Glück wurde es mit der Zeit ja viel besser.
17. Womit habe ich mich versöhnt?
Ich gebe dir nicht mehr ausschließlich die Schuld am Scheitern unserer Familie. Rückblickend erkenne ich auch viele Fehler bei mir. Die Schuldfrage stelle ich mir nicht mehr. Sie hindert mich am Weiterleben und macht außer einem schlechten Gewissen nichts Gutes. Dadurch werden wir keine besseren Eltern. Wir können es aber jetzt besser machen!
18. Wofür ich dich am meisten geliebt habe?
Deine Weltoffenheit, deine Klarheit, dein Lächeln in deinen Augen, deine Intelligenz, deine breiten Schultern, wenn du mit unserem Kind herumgealbert hast.
19. Ich habe mich von dir am meisten geliebt gefühlt, wenn...
ich getanzt habe.
20. Wofür ich dir danken möchte...
Für unser Kind. Für unsere Liebe, die einmal da war und seine Berechtigung hatte. Für deine Klarheit. Auch wenn wir nie darüber sprechen, beeinflusst du doch indirekt ab und an meine Entscheidungen. Z. B. Kaufen oder Nicht-Kaufen.
21. Wovon ich mich durch das Ende unsere Beziehung jetzt endgültig verabschiede...
Ich weiß jetzt, dass es nicht das Ende meines Lebens ist. Ich weiß, dass Familie sehr vielfältig sein kann und nicht nur Mutter-Vater-Kind unter einem Dach bedeutet. Die Medien stellen Trennungen oft als Horror dar. Das muss nicht immer so sein. Wir machen das als Eltern mittlerweile schon ganz gut. Darauf bin ich auch stolz!
22. Wovon verabschiede ich mich gern und lasse es zurück?
Unseren Streit, das Schweigen, das Ignorieren, unsere Anwälte, die glaubten uns besser zu kennen.
23. Wovon verabschiede ich mich nicht so leicht?
Wir drei zusammen mit dem Rucksack durch Südafrika. Als unser Kind geboren wurde, sagtest du: „Später gehen wir zusammen mit unserem Kind los.“ Ja, wir feiern jetzt schon wieder den Geburtstag zusammen... doch nach Afrika geht es nicht mehr.
24. Das Gute in unserer Zeit als Paar. Was behalte ich mir davon?
Die Weltoffenheit und den Mut, Menschen in mein Leben zu lassen.
25. Was lebt in unserem Kind weiter?
Unsere Liebe. Mehr Beweise gibt es nicht.
26. Was würde ich dir als Andenken zum Abschied gern schenken?
Ich wünsche mir nur einen Abschied aus unserer Paarbeziehung. Puh... schreibe ich das gerade wirklich? Ja, aber so ist es. Als Mutter und Vater möchte ich mit dir in ein paar Jahren auf der Abschlussfeier unseres Kindes anstoßen. Falls unser Kind dann wirklich mal auf die Idee kommt zu heiraten, wünsche ich mir eine Runde mit dir zu tanzen. Nun habe ich doch Tränen in den Augen. Das Andenken sind alle TV-Staffeln „Games of Thrones“.
Luisa
Luisa war sich lange unsicher, ob sie ihrem Ex-Partner diesen Brief zukommen lässt oder nicht. In unserem letzten Gespräch berichtete sie mir schließlich, den Brief kopiert zu haben. Das Original habe sie in viele kleine Stücke gerissen und auf einer Brücke in den Fluss geworfen.
„Es waren nicht nur Zettel, die in dem Fluss davon schwammen. Am Ende hatte ich auch eine Packung Taschentücher verbraucht. Mir geht es deutlich besser. Lange habe ich mich vor diesem Schritt gedrückt. Doch jetzt kann ich besser durchatmen. Danke!“
Vielen Dank! Du hast bis hier gelesen. Das machen nicht viele und zeigt, dass es ein wichtiges Thema ist.