20 Sätze, die getrennte Eltern ihrem Kind niemals sagen sollen

Die Nägel im Zaun

Es war einmal ein kleiner Bub, der schnell wütend wurde und dann ausrastete. Da gab ihm sein Vater einen Hammer und eine große Packung voller Nägel:

„Jedes Mal, wenn du wieder wütend wirst und ausrastet, gehst du zu diesem Lattenzaun und schlägst einen Nagel hinein.“

Der Junge war damit einverstanden, auch wenn er den Sinn dahinter nicht verstand.

Am nächsten Tag hämmerte der Bub bereits 30 Nägel in den Zaun. Die Tage vergingen und mit jedem Tag wurden es weniger Nägel, die der Junge in den Zaun schlug. Ihm wurde bewusst, dass es einfacher war, Nägel in den Zaun zu hämmern, als auszurasten.

Eines Tages war es schließlich so weit, dass er überhaupt nicht mehr ausrastete. Ganz stolz teilte er das seinem Vater mit. Der Vater nahm ihn bei der Hand und ging mit ihm zum Zaun:

„Von nun an machen wir es so: Für jeden Tag, den du nicht ausrastet, darfst du einen Nagel wieder aus dem Zaun ziehen.“

Der Bub war wieder einverstanden.

Wieder vergingen mehrere Tage, bis der Junge zu seinem Vater lief und ihm mitteilte, dass nun keine Nägel mehr im Zaun sind. Der Sohn freute sich sehr.

Gemeinsam gingen sie zum Zaun. Der Vater sagte zu ihm:

„Ich bin sehr stolz auf dich. Das hast du toll gemacht. Aber schau dir die vielen Löcher im Zaun an, die die Nägel hinterlassen haben. Der Zaun ist nicht mehr der, der er einmal war.“

Der Junge stimmte seinem Vater zu und der Vater fuhr fort:

„Denk daran, wenn du das nächste Mal wütend etwas zu anderen Menschen sagst. Deine Worte könnten Narben hinterlassen, so wie diese Nägel Spuren im Zaun hinterlassen haben. Auch wenn du dich entschuldigst, die Narben bleiben.“

Autor unbekannt.

Meine Nägel

Als ich diese Geschichte vor Jahren das erste Mal hörte, durchlief mich ein Schauer. Worte können Narben hinterlassen. Ich wusste das und dennoch ist es auch mir passiert.

Ich habe vor meinen Kindern über den Vater geschimpft. Zu verletzt, enttäuscht, traurig und wütend war ich über die Tatsache, dass er mich verlassen hatte.

In den letzten zweieinhalb Jahren habe ich in meiner Beratung viele solche Äußerungen gehört und möchte dir die 20 häufigsten Sätze vorstellen.

  1. Dein Vater ist ein Idiot. 
  2.  Deine Mutter ist eine Schlampe.
  3. Wenn du jetzt zu ihm bzw. ihr gehst, brauchst du gar nicht zurückzukommen.
  4. Wenn dir meine Erziehung nicht passt, dann ziehe doch zu deinem Vater bzw. deiner Mutter. Wirst schon sehen, was du davon hast.
  5.  Wie bitte? Du hast mit der Neuen gespielt? Der neue Kerl hat dich ins Bett gebracht?
  6. Hast du mittlerweile die 10. Frau von deinem Vater kennengelernt?
  7.  Der neue Mann deiner Mutter ist ein Vollpfosten.
  8. Ich möchte alles wissen. Komm erzähl schon. Was habt ihr gemacht? Er bekommt es doch sowieso nicht gebacken.
  9. Die neue Frau hat keine Ahnung von Kindern. Die wird dich nicht mehr zu Gesicht bekommen.
  10. Dein Vater hat uns hier ohne Geld sitzen lassen. Kannst dich bei ihm beschweren, dass du keine neue Jeans bekommst. Er hat Schuld.
  11. Deine Mutter schmeißt das Geld aus dem Fenster. Der zahle ich doch nicht noch mehr Unterhalt. Ich bin doch nicht verrückt.
  12. Du benimmst dich genau wie dein Vater. Du benimmst dich genau wie deine Mutter. So kann ja nichts aus dir werden.
  13. Dein Vater macht sich ein schönes Leben, während ich mit all dem Stress hier allein da stehe.
  14. Dein Vater bzw. deine Mutter weiß nicht, wie man dich richtig erzieht.
  15. Wir sind deinem Vater egal.
  16. Er oder sie wird dafür vor Gericht bluten. Das verspreche ich dir.
  17. Deine Mutter ist eine fiese Schlange. Frauen werden sowieso immer bevorzugt.
  18. Weil deine Mutter sich so verhalten hat, bin ich abgehauen. Ich konnte nicht anders.
  19. Deinen Vater ist seine neue Familie wichtiger als wir, sonst würde er sich ja melden.
  20. Ich habe dich so vermisst, als du bei Papa oder Mama gewesen bist. Es geht mir besser, wenn du bei mir bist. Hier ist es doch viel besser, oder?


Deine Nägel?

Was steckt hinter diesen Aussagen?

Ein ganz großer Schmerz. Die Ohnmacht, Hilflosigkeit, Angst, Wut, Hass und Trauer sind die Emotionen, die uns zu solchen Aussagen hinreißen lassen.

Jetzt denkst du wahrscheinlich.

Ja, aber so ist er oder sie doch. Soll ich mein Kind etwa anlügen und ihm vormachen, dass ich den Papa oder die Mama ganz toll finde, um mein Kind zu schonen?

Nein! Das sollst du nicht.

Nachdem ich vor vier Jahren in voller Wut einen bösen Satz über die neue Freundin des Vaters gesagt hatte, wurde mir klar, dass es so nicht weitergeht. Meine Tochter erinnert sich noch heute an diese Aussage und es hat ein Loch in ihrem Zaun hinterlassen. Ich hatte sie in einen Loyalitätskonflikt gebracht.

Was können wir tun?

Alle Welt redet davon, dass wir das Kindeswohl mit seinen Bedürfnissen im Blick haben sollen. Leichter gesagt als getan, wenn wir es nicht gelernt haben, mit unseren heftigen Emotionen rund um eine Scheidung bzw. Trennung umzugehen und die einzige Lösung darin sehen, diese Gefühle über Manipulation, Kampf, Macht oder Rückzug zu reduzieren.

In diesem Fall machen wir uns vor dem Kind „Luft“, indem wir über das Verhalten des anderen Elternteils herziehen.

Dein Kind kann damit nicht umgehen! Es hat nicht die Kompetenzen dafür und wird alles in seiner Macht Stehende tun, um dich glücklich zu machen.

Solange wir als Eltern nicht lernen, mit unseren schmerzhaften Emotionen angemessen umzugehen, sind wir die wahren Kinder!

Und wie sollen Kinder über Kinder entscheiden?

Wenn du dich in einem dieser Sätze wiedererkannt hast, dann möchte ich dir als Erstes sagen: Toll, dass du bis hierher weitergelesen hast. Zweitens kenne ich keine Person, die sich immer beherrschen kann. Das ist normal und menschlich. Falls du jedoch merkst, dass die Sätze häufiger vorkommen, frage dich, mit welchem Gefühl kommst du nicht zurecht?

Deine Wut?

Deinem Hass?

Deine Angst?

Deine Trauer?

Deine Ohnmacht?

Deine Hilflosigkeit?

In meinem Buch erzähle ich dir ausführlich, wie ich mit meiner Wut umgegangen bin, sodass meiner Töchter diese Aussagen von mir nicht mehr hören. Suche dir einen externen Freund, Coach, Mentor, Berater, Therapeuten, mit dem du Wege erarbeitest, um mit deinen Gefühlen wirklich gut umzugehen und sie in dieser Art nicht vor deinem Kind zu äußern.

Meinen Satz lautet:

„Du merkst sicherlich, dass ich wütend, traurig, ärgerlich usw. bin, wenn der Name deines Vaters bzw. deiner Mutter fällt. Doch dafür kannst du nichts, es ist nicht deine Schuld. Es ist meine Verantwortung, damit umgehen zu lernen. Du bist das Kind und ich der Erwachsene, der auf dich aufpasst und dich liebt.“

Ich glaube fest daran, dass wir es schaffen können, weniger Nägel in den Zäunen der Kinder zu hinterlassen.

Auch dir wünsche ich so wenig Nägel wie möglich in deinem Zaun. Das hast du genauso verdient. Nur so kannst du gut für dein Kind da sein.

Fang an und traue dich, deinem Schmerz hinzuwenden und ihn dann zu überwinden. Du schaffst das!