Warum manche Väter flüchten und manche Mütter die Kinder vorenthalten

Du wirst schon sehen, was du davon hast!

Hast du das schon mal gehört? Oder vielleicht selbst gesagt beziehungsweise gedacht?

Ähnlich geht es den Eltern aus den folgenden Fallbeispielen:

Fallbeispiel 1: Marie und Jens

Marie und Jens hatten sich schon immer eine große Familie gewünscht. Sie waren ein Bilderbuch-Paar und keiner der Freunde hätte je gedacht, dass diese Beziehung einmal auseinander brechen würde. Die ersten Jahre mit den Kindern verliefen gut. Beide waren gleichermaßen an der Erziehung der zwei Söhne (5 und 9) beteiligt.

Vor kurzem war jedoch Schluss damit. Silvester 2014/2015 hatte sich Marie in den besten Freund von Jens verliebt. Trotz aller Versuche, dem nicht nachzugeben, war die Liebe zu Jens auf der Strecke geblieben.

Nach einer missglückten Paartherapie beschlossen sie einvernehmlich getrennte Wege zu gehen. Jens wollte ausziehen und suchte sich in der Nähe eine Wohnung, um weiterhin für die Kinder da sein zu können.

In der ersten Zeit verlief auch alles gut und die Kinder waren regelmäßig beim Vater. Plötzlich sagte Jens immer häufiger die Umgangswochenenden ab oder tauchte verspätet zu dem vereinbarten Termin auf. Eine Erklärung bekam weder Marie noch die Söhne. Und auch der Unterhalt für die Kinder kam immer unregelmäßiger. Bei Nachfragen wurde Jens immer ungehaltener oder reagierte gar nicht mehr.

Marie fühlte sich hilflos den Launen ihres Ex-Partners ausgesetzt und wusste sich nicht mehr zu helfen. Die Kinder waren ebenfalls verunsichert und vermissten ihren Vater.

Schließlich schaltete Marie einen Anwalt ein. Um diese Kosten zahlen zu können, erhöhte sie ihre Arbeitszeit und war mit ihren Kräften und Nerven am Ende. Sie fühlte sich schuldig und litt sie darunter zu sehen, wie die Söhne sich vom Vater entfremdeten.

Fallbeispiel 2: Elisa und Thorsten

Elisa und Thorsten kannten sich drei Monate, als sie unerwartet schwanger wurde. Thorsten war zu Beginn damit gar nicht einverstanden und er fühlte sich übergangen. Nach dem ersten Ultraschall waren seine Bedenken verschwunden und er freute sich auf seine kleine Tochter.

Doch die Beziehung blieb schwierig. Immer wieder gab es starke Auseinandersetzungen und Thorsten war mit der emotional reagierenden Elisa überfordert. Sie hingegen fühlte sich von Thorsten nicht gesehen und geschätzt. Dieses Gefühl verstärkte sich nach der Geburt ihrer kleinen Tochter. Er hatte nur noch Augen für das Kind. Nach wiederholten Konflikten beendete Thorsten nach drei Jahren die Beziehung zu Elisa.

Ab dem Tag an war es für ihn kaum noch möglich, für seine kleine Tochter da zu sein. In seinen Augen versuchte Elisa mit jedem Mittel den Kontakt zum Kindsvater zu unterbinden. Es begann ein elender Krieg an Anwaltsschreiben, Gerichtsverhandlungen und Thorsten verlor immer mehr seine Lebensfreude, da er sein Kind nicht sehen konnte. Elisa verhindert den Kontakt zum Kind.

Diese zwei Fallbeispiele sind ein winziger Ausschnitt aus unzähligen Bespielen in meiner Beratung. Auch wenn ich Alleinerziehenden unterstütze, bekomme ich gelegentlich Anfragen von Elternteilen, die nicht bei ihren Kindern leben.

Die typische Frage ist:

  1. Was kann ich tun, wenn der Vater/die Mutter sich aus dem Staub macht?

  2. Was kann ich tun, wenn mir die Mutter/der Vater mein Kind vorenthält?

Bevor ich aus das WAS KANN ICH TUN zu sprechen komme, stellt sich die Frage, warum manche Väter flüchten und manche Mütter ihnen die Kinder vorenthalten.

Warum Verhalten sich Mütter und Väter so?

In vielen Gesprächen ist mir aufgefallen, dass sich immer wieder die gleichen Aussagen häufen. Und zwar egal, mit welcher „Seite“ ich spreche.

  • Er/Sie hat mich so verletzt.
  • Er/Sie hat mich betrogen. 
  • Er/Sie hat mich beleidigt. 
  • Er/Sie hat mich ohne Vorwarnung verlassen.
  • Er/Sie nimmt mich nicht ernst.
  • Er/Sie will mir mit Absicht wehtun. 
  • Ich habe Angst, den Kontakt zu meinem Kind zu verlieren. 
  • Ich bin doch die Mutter beziehungsweise der Vater. 
  • Das hat er/sie davon. 
  • Dann sieht er/sie mal, was er/sie mir antut. 

Diese Gedanken führen häufig zu belastenden Gefühlen wie:

  • Angst
  • Kränkung
  • Verletzung
  • Wut
  • Hass
  • Hilflosigkeit
  • Trauer

Wie gehen wir mit diesen schmerzhaften Gefühlen um?

Wir alle wissen, dass wir im Sinne des Kindeswohls handeln sollen und unsere eigenen schmerzhaften Gefühle in diesem Moment hinten anstellen müssten. Doch oft gelingt es uns leider nicht und wir suchen im Zuge dessen nach Wegen, um mit den belastenden Gefühlen und Gedanken zurechtzukommen. Die zwei häufigsten Strategien sind

  1. DER KAMPF
  2. DER RÜCKZUG

1. Wir versuchen mit dem Kampf unsere schmerzhaften Gefühle zu reduzieren.

Zum Beispiel:

  • Beleidigende SMS oder Mails schreiben
  • laut werden
  • viel Arbeiten
  • Zynismus
  • Den anderen Elternteil vor dem Kind abwerten, Manipulation
  • Gerichtsverhandlungen wiederholt anstreben
  • Unterhalt kürzen oder nicht zahlen

2. Wir versuchen mit dem Rückzug unsere schmerzhaften Gefühle zu reduzieren.

Zum Beispiel:

  • den anderen Elternteil ignorieren, nicht auf Anfragen reagieren
  • Umgangsvereinbarungen nicht einhalten
  • Kind nicht mehr zum Geburtstag zu gratulieren
  • Umzug in die Ferne
  • regelmäßig Alkohol trinken
  • Flucht in eine neue Partnerschaft

Kurzfristig führt der Kampf beziehungsweise das Flüchten manchmal zu einer Erleichterung, da die Gefühle wie Angst, Wut, Hass, Hilflosigkeit weniger spürbar sind.

Langfristig hingegen wird weder der Kampf vor Gericht, die Manipulation oder der Rückzug von der Familie eine Erleichterung von schmerzhaften Gefühle bringen.

Ganz im Gegenteil. Die Verletzungen verhärten sich immer mehr. Und das Eingeständnis von eigenen Fehlern ohne einen Gesichtsverlust ist in weite Ferne gerückt.

Burnout, Depressionen oder psychosomatische Beschwerden sind an der Tagesordnung.

Was ist die Lösung?

Wir brauchen einen neuen Umgang mit belastenden Gefühlen, und zwar OHNE sie an anderen Menschen auszuleben oder uns selbst abzuwerten.

Doch das haben wir oft nicht gelernt.

Jens aus dem ersten Fallbeispiel hatte nach und nach bemerkt, wie stark ihn der Verlust seiner Familie schmerzte. Er hatte eine unheimliche Wut auf seinen Freund, in den sich seine Frau verliebt hatte. Er hasste seine Frau für das, was sie ihm damit angetan hatte. Innerlich kochte er. Jedes Mal, wenn er seine Söhne abholte, flammte sein Schmerz wieder auf und er konnte tagelang nicht schlafen.

Jens lenkte sich immer mehr mit PC-Spielen oder Rennrad fahren ab. Diese waren oft an seinen Kinder-Wochenenden. Das verdrängte er. Mittlerweile war er der festen Überzeugung, seine Söhne sowieso an seinen Freund verloren zu haben.

Jens wusste sehr wohl, dass es nicht in Ordnung war, unregelmäßig Unterhalt zu zahlen. Aber er war nicht in der Lage, seine trotzige Haltung zu überwinden. Dass er damit seine Söhne strafte, konnte er in dem Moment nicht wahrnehmen.

Elisa aus dem zweiten Fallbeispiel war verletzt, als Thorsten trotz aller Freude für das Kind, sich von ihr trennte. Sie konnte nicht verstehen, warum er sich so wenig eingebracht hatte und nun auf die Idee kam, die Tochter jedes zweite Wochenende sehen zu wollen.

Schließlich hatte sie von Beginn an alles alleine machen müssen. Elisa fühlte sich verlassen und hatte Sorge, dass er mit der Kleinen nicht gut umgehen würde. Mit jeder Nachfrage von Thorsten bekam Elisa immer mehr Angst ihre Tochter zu verlieren und so schaltete sie eine Anwältin ein.

Wenn ihre Tochter nach dem Papa fragte, zuckte sie mit den Schultern, verdrehte die Augen und sagte: Papa……den gibt es nicht mehr. In dem Moment konnte Elisa ihre Verletzungen nicht überwinden. Dass sie damit ihre Tochter strafte und nicht ihren Ex, konnte sie kaum wahrnehmen.

Sowohl Jens als auch Elisa versuchten mit dem Kämpfen und dem Rückzug ihre Angst, Verletzung und Wut zu reduzieren.

Was du jetzt tun solltest

Statt deine schmerzhaften Gefühle durch Kampf oder Rückzug zu reduzieren und im Zuge dein Kind miteinbeziehen, ist es deine Aufgabe Verantwortung für deine eigenen Gefühle zu übernehmen und zu sagen:

Ja, es tut verdammt weh, dass es so passiert ist. Ich hätte es mir anders gewünscht. So ist es nun nicht und ich nehme meine Trauer, meine Wut, meinen Hass, meine Angst, meine Schuld usw. an. 

Dadurch dass ich anderen Menschen schade, werden sich meine Verletzungen langfristig nicht reduzieren. 

Ich sage JA zu meinen schmerzhaften Gefühlen und sorge selbst dafür, mich zu heilen. 

Weder der Kindsvater, noch die Kindsmutter werden diese Aufgabe übernehmen können. Ich kann ihn beziehungsweise sie nicht ändern!

Wenn ich alleine nicht mehr weiter weiß, hole ich professionelle Hilfe von Beratern, Coaches, Ärzten oder Therapeuten, die mir zeigen können, wie ich besser mit meinen schmerzhaften Gefühlen umgehen kann.

Fazit:

  1. Ein eigenverantwortlicher Umgang mit schmerzhaften Gefühlen beider Eltern ist die Voraussetzung, um im Kindeswohl handeln zu können.
  2. Ein eigenverantwortlicher Umgang mit schmerzhaften Gefühlen beider Eltern ist die Voraussetzung, um psychisch und folglich auch körperlich gesund zu bleiben. 


Wie du besser du mit deinen Gefühlen in diesen hochbelasteten Situationen umgehen kannst, wirst du in meinem Buch Stark und alleinerziehend: Wie du der Erschöpfung entkommst und mutig neue Wege gehst finden.